Mit dem Fahrrad zu den Neuntötern im Tannenhauser Moor

Informationsveranstaltung zu Ökologie und Artenschutz

Aurich-Tannenhausen. – Gehölzbeseitigung ist immer wieder mit Ängsten und Sorgen in der Bevölkerung behaftet. So auch bei der zum Wohle des Neuntöters im NSG Ewiges Meer erforderlichen Maßnahmen der Lebensraumverbesserung. Doch bei der von der Ökologische NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF) zu Informationszwecken angebotenen Fahrradexkursion in dessen Lebensraum konnten die Bedenken erfolgreich ausgeräumt werden. Die rund fünfzehn TeilnehmerInnen an der Veranstaltung zeigten sich hingegen angetan von den Schutzbemühungen, dem vom für die Neuntöter-Lebensräume typischen Artenreichtum und der Schönheit der mit den Biotoppflegemaßnahmen entstehenden halboffenen Landschaft.

 

Dabei dauerte es bei der Exkursion eine ganze Weile, bis sich der erste Neuntöter den ExkursionsteilnehmerInnen zeigte. Wie für ihn üblich, saß er auf der Spitze eines toten Astes in einer Hecke und spähte von dort nach seiner Beute. „Der Neuntöter gehört zur Vogelgruppe der Würger, die als vergleichsweise kleine Singvögel neben Großinsekten auch kleine Wirbeltiere jagen,“ erläuterte Diplom-Biologe Michael Steven.  Für Schlechtwetterperioden werde diese in der Brutzeit auch schon mal auf Dornen oder Stacheldraht gespießt. Seine Nahrung finde er überwiegend im Grünland und bevorzugt in Weideflächen. Zur Brut würden hingegen Dornengebüsche genutzt, am Ewigen Meer vor allem in Brombeerdickichten. Der scheue knapp amselgroße Vogel benötigt ansonsten Gehölze vor allem als Ansitz- und Ruhewarten. Da er von isoliert stehenden und niedrigen Büschen und Bäumen die besten Jagderfolge auf Hummeln, große Käfer, Heuschrecken oder Libellen erzielen kann, lassen sich seine typischen Lebensräume als überwiegend halboffene und extensiv bewirtschaftete Grünlandgebiete charakterisieren.

 

Beim Durchfahren des Tannenhauser Moores konnten sich die TeilnehmerInnen ein Bild von den typischen Lebensräumen und den zur Lebensraumverschlechterung führenden Veränderungen machen. „Der Rückgang an Beweidung, eine Wiesenmahd vor Mitte Juli und die Überalterung der Gehölzbestände machen dem Neuntöter zu schaffen“, betonte der Exkursionsleiter der ÖNSOF. Aber auch die aus Klima- und Naturschutzgründen notwendigen Maßnahmen der Moorwiedervernässung könnten zur Verkleinerung der Lebensräume führen. Dort wo der Gesamtlebensraum noch vorhanden ist, würden Pflegemaßnahmen daher bevorzugt durchgeführt. Ohne Pflegemaßnahmen entstehende, hochgewachsene und häufig von der Späten Traubenkirsche sowie Birken dominierte Gehölzbestände werden von den Neuntötern gemieden. Sie werden daher durch die Pflegemaßnahmen umgebaut. Sie stehen vor der Pflege im Kontrast zu den „landschaftliche Schönheit ausstrahlenden lückigen Hecken aus Vogelbeeren, Weidengebüschen und Brombeergebüschen in den Neuntöter-Lebensräumen“, so Michael Steven weiter. Schnell wurde für die TeilnehmerInnen auch sichtbar, dass mit der Ausrichtung der Schutzbemühungen auf den Neuntöter in dessen Gefolge auch viele weitere Vogelarten der halboffenen Landschaften profitieren: zahlreiche Dorngrasmücken, Schwarzkehlchen, Blaukehlchen, Bluthänflinge, Baumpieper, Wiesenpieper und Goldammern begleiteten die Exkursionsgruppe in den Neuntöter-Lebensräumen.

 

Nachdem auch die Vorgehensweise bei der Pflege der Hecken erläutert worden war, konnten letzte Zweifel ausgeräumt werden. „Die Maßnahmen werden sorgsam vorbereitet und mit Bedacht an den für die Förderung des Neuntöters bestgeeigneten Stellen ausgeführt“, hielt Michael Steven fest. „Einen Kahlschlag oder ähnliches wird es bei Maßnahmen zur Verbesserung der Neuntöter-Lebensräume nie geben.“

 

 

Hintergrund


Die Neuntöter-Population im NSG Ewiges Meer ist von besonderer Bedeutung, da sie das nordwestlichste nennenswerte Vorkommen der Art für Deutschland bildet. Mit einer stattlichen Population von noch über 30 Brutpaaren zur Jahrtausendwende war dies Auslöser dafür, wesentliche Teile der Moor- und Moorgrünlandgebiete um das Ewige Meer in das gleichnamige EU-Vogelschutzgebiet zu integrieren. Das Vorkommen ist als wertbestimmend für das Vogelschutzgebiet eingestuft, woraus Verpflichtungen zu dessen Erhalt resultieren. Vor dem Hintergrund rückläufiger Bestände wird nun unter anderem im Rahmen der vom Land Niedersachsen geförderten Unterstützung der Schutzgebietsbetreuung durch die ÖNSOF an der Umsetzung eines Schutzkonzeptes gearbeitet. Die Ökologische Station plant die Lebensraum verbessernden Maßnahmen, stimmt diese mit Flächeneigentümern, Bewirtschaftern und Naturschutzbehörden ab, organisiert Fördermittel für deren Umsetzung, leitet die in der Regel bei Landschaftspflegeunternehmen beauftragten Arbeiten an und führt ein begleitendes Bestandsmonitoring der Neuntöterpopulation durch, das auch für Zwecke der Erfolgskontrollen genutzt werden kann.

 

 

Die Arbeiten zum Schutz des Neuntöters sind Bestandteil der Schutzgebiets-betreuung. Die Ökologische NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF) unterstützt die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Aurich und Wittmund sowie der Stadt Emden bei Aufgaben der Vor-Ort-Gebietsbetreuung von Schutzgebieten mit einer Gesamtfläche von über 30.000 ha. Für diese Arbeit wird der NABU Niedersachsen als Träger der Ökologischen Station durch das Land Niedersachsen gefördert. Grundlage der Förderung ist seit dem Jahr 2018 eine Kooperationsvereinbarung mit den Landkreisen bzw. der Stadt Emden sowie eine einvernehmliche Abstimmung der Arbeitspläne. Der Sitz der Ökologischen Station befindet sich in Wiegboldsbur. 

 

 

Für Rückfragen:

 

Michael Steven, Leiter der Ökologischen NABU-Station Ostfriesland, Tel.: 0172-5146633, E-Mail: Michael.Steven@NABU-Station-Ostfriesland.de

 

Meldung vom 23.06.2022