Qualitätssicherung Offenlandschaften

An Fressfeinden arme Lebensräume als Überlebensgarant

Wenn Kiebitz und Uferschnepfe die Wahl haben, halten sie Abstand zu geschlossenen Gebüschriegeln, hohen Bäumen und selbst zu die Feuchtwiesen und - weiden kammernden Schilfgräben. Sie lebten bereits lange vor dem Landwirtschaft treibenden Menschen in den Niederungen. Überschwemmungen, lang anhaltend hohe Wasserstände und in küstennahen Gebieten vor allem auch das bei Sturmfluten in das Hinterland drückende Salzwasser hielten die Niederungen weitgehend baumfrei. In der nach den Eindeichungen entstandenen Kulturlandschaft der küstennahen Marsch- und Niedermoorgebiete sorgten die Bauern jahrhundertelang für die Erhaltung der Offenlandschaften. Aber sogar in Ostfriesland sind diese Offenlandschaften heute längst auf dem Rückzug. Der zunehmende Rückgang der Weidehaltung sorgt dafür, dass Ufer der Gräben nicht mehr abgefressen werden. Die Entwässerung der Niederungsgebiete ist inzwischen so stark ist, dass die Grabenpflege häufig auch gar nicht mehr für erforderlich gehalten wird. Aber auch die Einzäunung von früher in die Beweidung einbezogene Gräben haben in vielen Grabensystemen dem Schilf und durch angeflogene Saat aufkommende Gehölze Auftrieb gegeben. Und nicht zuletzt führten auch gut gemeinte Anpflanzungen von Bäumen, Schonungen und kleinen Wäldchen zu einer schwer wiegenden Veränderung der Landschaft.

Die Offenlandschaften schrumpften mit dem Aufkommen von Gehölz- und Schilfflächen immer weiter zusammen. Daher verwundert es nicht, dass die Verlustraten durch Fressfeinde ebenfalls drastisch zunahmen: Füchse, Steinmarder, Hermelin, Igel und zuletzt auch der Neubürger Marderhund finden reichlich Deckung, Ansiedlungsmöglichkeiten und in den Lebensräumen der Wiesenvögel auch viel Nahrung wie Mäuse und andere Kleinsäuger. Die Gelege und Küken der Wiesenvögel sind dabei nur leckeres Beiwerk, das gerne mitgenommen wird. Das war nicht immer so, denn als Folge großflächiger winterlicher Überschwemmungen überlebten eingewanderte Kleinsäuger  früher das Winterhalbjahr in der Regel nicht. Daher zog es auch die Raubsäuger weniger häufig in die weiten Offenlandschaften der Niederungen.

 

 

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Informationsblatt Offenlandschaften Ostfrieslands
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Stellungnahme NABU Ostfriesland zu Maßnahmen der Qualitätssicherung der Offenlandschaften Ostfrieslands
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Frisch geschlüpfte Uferschnepfenküken.
Frisch geschlüpfte Uferschnepfenküken.

Heute ist das bei reichem Kleinsäugerangebot anders: Vor allem Gelege und Küken werden von diesen Raubsäugern nachts mit unglaublicher Effektivität gefunden und gefressen. Wehren können sich die Wiesenvögel gegen sie nicht. Doch auch Luftfeinden wird die Jagd auf die bodenbrütenden Wiesenlimikolen durch die mit den Bäumen verbundenen Veränderungen in der Landschaft stark erleichtert: Habichte und Wanderfalken können durch in die Brutgebiete hinein rückende Bäume ihre Opfer besser ausspäen und werden - die zusätzliche Deckung geschickt beim Anflug nutzend - zur ernsthaften Gefahr selbst für Altvögel von Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel, Großer Brachvogel und Austernfischer werden. Für die mitunter sehr alt werdenden Wiesenlimikolen immer ein besonders schwer wiegender Verlust. Doch die Fressfeinde aus der Luft können auch für die nestflüchtenden Küken zu einer großen Bedrohung werden. Können die Gelege insbesondere bei noch stärkeren Wiesenvogelbeständen sehr effektiv gegen Luftfeinde verteidigt werden, ist das bei den meist vier gleichzeitig zu beaufsichtigenden Küken wesentlich schwieriger. Vor allem Mäusebussarden und Rabenkrähen gelingt es immer wieder die Verteidigung der Altvögel zu durchbrechen. Besonders schwierig wird es dann, wenn die Wiesen nach der im Mai stattfindendenen Silagemahd großflächig kaum noch Deckung aufweisen. Ein einige hundert Meter entfernter Baum reicht dann, um nach Beute Ausschau haltenden Mäusebussarden oder Rabenkrähen gute Sicht auf die nach Nahrung suchenden Küken zu verschaffen und diese dann auch erfolgreich zu schlagen.

 

Daher gehört die Wiederherstellung der Offenheit der Landschaft zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen für die hochbedrohten Wiesenvögel. Daher kann in den verbliebenen bedeutenden Wiesenvogelbrutgebieten die Entfernung von Gehölzen und die Entschlammung verlandeter Gräben zu den notwendigen Lebensraum verbessernden Maßnahmen gehören. Bevor es so weit kommt, gibt es aber immer einen ausgiebigen Abwägungsprozess: Könnten andere ebenfalls hochbedrohte oder im Rückgang begriffene Arten durch die Maßnahmen gefährdet werden? Gibt es Alternativen zur Gehölzbeseitigung? Mitunter kommt die Abwägung der verschiedenen Belange auch zu dem Ergebnis, dass es leichter ist, den gehölzbewohnenden Arten Alternativlebensräume zu verschaffen als den Wiesenvögeln. Denn diese benötigen neben einer an Fressfeinden armen Landschaft auch ganz bestimmte Bodenverhältnisse und hohe Bodenwasserstände, um vitale überlebensfähige Populationen erhalten zu können. Ein Umzug ist für sie in der Regel nicht möglich.