Aurich-Tannenhausen. – Einen der letzten Standorte der Weißen Waldhyazinthe in Ostfriesland beherbergen die Wälder der Niedersächsischen Landesforsten (NLF) im Bereich Tannenhausen. Zu ihrem Schutz kooperieren die NLF mit der Ökologischen NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF). Das Vorkommen soll zur Quelle für Wiederansiedlungen in heute von der Art verwaisten Lebensräumen werden. Bei einem Ortstermin konnten die Akteure jetzt erste Erfolge feststellen.
Gerhard Schade, Revierförster des Forstamtes Neuenburg für das Forstrevier Meerhusen, weiß seit Jahren um den botanischen Schatz in seinen Wäldern: „Wir haben uns in Abstimmung mit Botanikern der Unteren Naturschutzbehörde bemüht, die Wuchsbereiche in einem guten Zustand zu halten.“ Dies dürfte nach Einschätzung von Michael Steven, Leiter der Ökologischen NABU-Station Ostfriesland die Grundlage dafür gelegt haben, dass die Waldhyazinthe sich halten konnte. Dies war an vielen anderen früheren Wuchsorten nicht der Fall. Entwässerung, Umbruch und Düngung von Magerrasen und Heidegebieten, der Niedergang der Hüteschäferei sowie die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung, der Eintrag von Nährstoffen über die Atmosphäre und die Bodenversauerung als Folge des sauren Regens gehören zu den wichtigsten Rückgangsursachen der Waldhyazinthe und der von ihr repräsentierten Lebensräume. Dabei handelt es sich um sehr blüten-, arten- und insektenreiche Magerrasen. Früher weit verbreitet in den Heide- und Moorlandschaften Ostfriesland, brachte der drastische Landschaftswandel zürückliegender Jahrzehnte die Waldhyazinthe an den Rand des Aussterbens in Ostfriesland. In Niedersachsen wird sie in der Kategorie 2 der Roten Liste und damit als „stark gefährdet“ geführt.
Damit das aktuell bedeutendste Vorkommen Ostfrieslands nicht den Weg der anderen Vorkommen geht, haben sich die NLF und die ÖNSOF bereits vor vier Jahren auf eine Zusammenarbeit verständigt. Denn auch dort ging der Bestand zurück. Die Mitarbeiter der ÖNSOF führen daher seit 2017 vor Ort regelmäßig Bestandserfassungen durch und versuchen den Ursachen des dortigen Rückgangs auf die Spur zu kommen. Begleitet werden die Bestandserfassungen und die in der Folge vorgeschlagenen Pflegemaßnahmen von Jörn Schöttelndreier. Der im Forstamt Ahlhorn ansässige Forstbeamte ist für den Naturschutz und insbesondere für das europäische NATURA 2000-Netz bedeutsame Schutzgüter in den Niedersächsischen Landesforsten im Bereich der Forstämter Ahlhorn und Neuenburg zuständig. „Die Initiative der Ökologischen NABU-Station zum Schutz der Waldhyazinthe lief bei uns offene Türen ein.“ hob Schöttelndreier hervor. Gemeinsame Ortsbegehungen folgten und mündeten schließlich im Sommer 2019 in erste Pflegemaßnahmen. Die NLF beauftragten eine Pflegemahd, um die zu dominant werdenden Lupinenbestände zu dezimieren. Mit Erfolg, wie sich jetzt bei einer gemeinsamen Ortsbegehung im NLF-Wald bei Tannenhausen zeigte. Nachdem 2016 nur noch gut 100 Exemplare der unscheinbaren Pflanze gefunden werden konnten, erbrachte die Bestandserfassung der ÖNSOF bereits jetzt zu Beginn der Blütezeit nahezu 600 Exemplare. Bestärkt durch den Erfolg, soll die Pflege nun fortgesetzt werden. Verabredet wurde auch, die Auswirkungen des dort regelmäßig weidenden Damwildes genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Großteil der Blütenstände ist nach Beobachtungen der ÖNSOF bereits nach wenigen Wochen nicht mehr auffindbar oder es ist nur noch ein abgefressener Blütenstängel zu finden. „Wir vermuten, dass das Damwild viele Pflanzen frisst. Wir sind uns aber nicht sicher, ob die Auswirkung der dort weidenden Wildtiere in der Summe nicht trotzdem in der Summe positiv ist.“ erläutert Rewen Tölge, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ökologischen Station. Dem wolle man nun durch vergleichende Untersuchung des Schicksals von Exemplaren der Waldhyazinthe in einem durch einen Zaun geschützten Bereich und in ungeschützten Bereichen auf den Grund gehen. Während in 2020 erst noch ein der ÖNSOF zur Verfügung stehender Weidezaun eingesetzt wird, stellten die Landesforsten für das Jahr 2021 eine professionellen Wildschutzzaun in Aussicht. „Wahrscheinlich wird der jetzige Weidezaun das Damwild nicht abhalten können.“ dämpfte Jörn Schöttelndreier die Hoffnungen der ÖNSOF. Aber dafür könne man damit schon mal erste Erfahrungen mit der Methodik sammeln.
Hintergrund:
Die Ökologische NABU-Station Ostfriesland unterstützt die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Aurich und Wittmund sowie der Stadt Emden bei Aufgaben der Vor-Ort-Gebietsbetreuung von Schutzgebieten. Für diese Arbeit wird der NABU Niedersachsen als Träger der Ökologischen Station durch das Land Niedersachsen gefördert. Grundlage der Förderung ist seit dem Jahr 2018 eine Kooperationsvereinbarung mit den Landkreisen bzw. der Stadt Emden sowie die einvernehmliche Abstimmung der Arbeitspläne. Der Sitz der Ökologischen NABU-Station befindet sich in 26624 Südbrookmerland OT Wiegboldsbur.
Textvorschlag zum Foto: Mitarbeiter der Niedersächsischen Landesforsten begutachteten gemeinsam mit Mitarbeitern der Ökologischen NABU-Station Ostfriesland die Wirkung von Pflegemaßnahmen auf einer Waldwiese der Landesforsten. v.l.n.r. Michael Steven (ÖNSOF), Gerhard Schade (NLF), Jörn Schöttelndreier (NLF), Rewen Tölge (ÖNSOF) und Jann Onno Mumme (NLF).
Für Rückfragen:
Michael Steven, Leiter Ökologische NABU-Station Ostfriesland, Tel.: 0172-5146633, E-Mail: michael.steven@NABU-Station-Ostfriesland.de
Meldung vom 19.06.2020